Was uns oder anderen im Leben passiert, wird von uns bewertet: Das ist gut, oder das ist schlecht. Das ist Glück, oder das ist Unglück. Letztlich sind es einfach Dinge, die passieren – und wer weiss schon, wozu etwas gut ist?
In der Zeitschrift «Visionen» zum Thema Glück wird die Frage gestellt, ob es denn immer Glück sein müsse, oder ob auch Zufriedenheit reiche. Die Antwort darauf kann sich jede/r selbst geben – und vermutlich kann man geteilter Meinung sein, schon allein darüber, wie viel Glück es braucht zum Glücklichsein – oder wenigstens, um zufrieden zu sein.
Der Autor Paul Gillmann schreibt, in der individuellen Glückswahrnehmung sei auch die Angewohnheit des ständigen Vergleichs mit der Umwelt zu berücksichtigen: «Meist entwickeln sich daraus Muster, wo vor allem nach jenen geschielt wird, die offenbar mehr haben und denen es besser geht. Menschen mit dieser Angewohnheit haben die Anleitung zum Unglücklichsein ständig in Griffnähe.» Wer Alltagssituationen gelassener angeht und annimmt, was das Leben bringt, erlebt mehr Zufriedenheit als jemand, der alles, was ihm passiert, nach den Kategorien Gut oder Schlecht bewertet.
Paul Gillmann präsentiert dazu eine passende Geschichte aus dem chinesischen Taoismus:
In einem Dorf besitzt ein Bauer ein Pferd, mit dem er seine Feldarbeiten erledigt. Eines Tages läuft ihm dieses davon. Die Nachbarn bedauern ihn – welch ein Unglück! Er aber meint nur: «Wer weiss schon, wozu es gut ist?»
Nach einigen Tagen kehrt sein Pferd zurück und bringt zwei Wildpferde mit. Jetzt preisen die Menschen des Bauern unerwartetes Glück. Er aber meint nur: «Wer weiss schon, wozu es gut ist?»
Am nächsten Tag versucht sein Sohn, eines der Wildpferde zuzureiten. Er stürzt aber vom Pferd und bricht sich ein Bein. Wieder beklagen die Leute den Unfall. Der Bauer aber meint nur: «Wer weiss schon, wozu es gut ist?»
In der Woche darauf erscheinen Soldaten, um Männer für den Krieg zu rekrutieren. Mit dem gebrochenen Bein ist der Sohn aber dienstuntauglich. Wieder erklären die Menschen, welch ein Glück der Bauer doch habe. Erneut meint dieser aber nur: «Wer weiss schon, wozu es gut ist?»
Ereignisse werden von uns in erlernten Mustern bewertet. Wir haben ganz bestimmte Vorstellungen davon, was wir gut oder schlecht finden, was wir in unserem Leben haben oder nicht haben wollen. Oft tut es gut, diese Vorstellungen aussen vor zu lassen und etwas, das passiert, einfach anzunehmen, ohne zu bewerten. Denn wer weiss schon, wozu es gut ist?
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