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Die ganz alltägliche Verwechslung.

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Ehepaar

Tigi und Max sind sich einig. Meistens.

Wenn (Ehe-)Partner sich streiten, tritt das erwachsene Ich in den Hintergrund und unsere Verstrickungen treten zu Tage. Was dann passiert, sind, systemisch gesehen, Verwechslungen. Wären wir uns ihrer bewusst, würde garantiert weniger gestritten.

Robert und Katharina besprechen ein organisatorisches Problem und sind sich nicht einig. Sagt Robert zu seiner Frau: «Kannst du nicht einmal flexibel sein? Muss es immer nach deinem Kopf gehen? Jetzt sei doch einmal vernünftig!» Katharina, gekränkt und wütend: «Dass ausgerechnet du mir das sagen musst! Das ist doch überhaupt nicht wahr, dass ich nicht flexibel bin! Du bist doch derjenige, der immer alles bestimmen will! Am liebsten würde ich dir jetzt eine runterhauen!»

Solche oder ähnliche Auseinandersetzungen haben ihren Ursprung in unseren Verstrickungen mit der Herkunftsfamilie. Wären wir nicht mit ihr verstrickt, würden wir uns mit unserem Partner nicht fetzen müssen, und schon gar nicht wegen solch nichtiger Kleinigkeiten.

Es ist nämlich so: In einer Beziehung (gemeint ist die Beziehung zwischen zwei erwachsenen Menschen) ist man gleichwertig. Man begegnet sich auf Augenhöhe, respektiert einander und diskutiert sachlich. In einer Verstrickung ist man nicht mehr gleichwertig. So, wie Robert mit seiner Frau spricht, spricht im Grunde genommen kein erwachsener Mann mit seiner gleichwertigen Partnerin. So spricht ein Vater oder eine Mutter mit einem Kind, das in der Ordnung nicht neben, sondern unter ihm oder ihr steht. (Gemeint ist die Ordnung im System. Sie ist nicht wertend.)

Robert verlässt sein souveränes, erwachsenes Ich und schlüpft in die Rolle von jemand anderem, die oder den er aus seiner Vergangenheit kennt. Oft sind das Mutter oder Vater, die sich bereits auf ähnliche Weise gestritten haben. Und plötzlich spricht aus Robert eben nicht Robert, sondern seine Mama, sein Papa oder der strenge Grossvater, der Katharina mit einem Kind verwechselt, das von ihm den Kopf gewaschen kriegt.

Katharina ihrerseits verlässt ebenfalls ihr erwachsenes Ich und begibt sich in die Rolle des gescholtenen Kindes, wütend und hilflos angesichts der Art und Weise, wie sie von ihrem Mann behandelt wird. Bliebe sie bei sich und in der Rolle des erwachsenen Ichs, das frei von Verstrickungen ist, liesse sie das kalt. Stattdessen würde sie, freundlich, aber bestimmt, zu Robert sagen: «Ich bin deine Frau und du bist mein Mann. Du hast mir gar nichts zu sagen, und schon gar nicht in diesem Ton.»

Stattdessen steigt sie auf die Auseinandersetzung ein, denn das kennt sie aus ihrer Kindheit. Sie fühlt sich ungerecht behandelt und ohnmächtig, heute wie damals. Sie fühlt sich Robert unterlegen und lässt sich gar zu Drohungen verleiten («ich hau dir eine runter»), die eher in den Sandkasten passen als in eine Paarbeziehung.

Die Gefühle, die Robert in Katharina wach ruft, sind für diese nicht neu. Alles, was uns im Erwachsenenleben gefühlsmässig Kummer macht, kennen wir von früher. Vielleicht haben Vater oder Mutter oder ein Geschwister Katharina auf diese Art «klein» gemacht, und ihr Mann macht nun dasselbe mit ihr. Er drückt ihre Knöpfe und belebt die Gefühle, die sie von früher kennt. Wenn Robert so mit ihr spricht, fühlt sich Katharina wieder als das kleine Mädchen, das gescholten wurde, obwohl sie es aus ihrer Sicht nicht verdient hatte. Und sie verwechselt Robert mit ihrem Vater, ihrer Mutter oder einem anderen Mitglied aus ihrer Herkunftsfamilie.

Solche Gefühle leben ewig, wenn wir sie nicht auflösen. Sie führen dazu, dass wir in Paarbeziehungen immer wieder scheitern, weil der Partner unsere Knöpfe drückt, weil wir gegenseitig unseren Kindheitsfrust auf den anderen projizieren und weil wir es nicht schaffen, aus diesen Mustern auszusteigen. Dabei wäre die Partnerschaft eine einmalige Chance, mit der Vergangenheit aufzuräumen: Indem der andere mich nervt, zeigt er mir, wo meine Baustellen sind. Daran kann ich arbeiten.

Der grosse Meister Eckhart sagte sinngemäss, das Leiden in der Paarbeziehung sei das schnellste Pferd zu Gott. Will heissen: Keiner stochert so meisterhaft in unseren Wunden wie unsere so genannt bessere Hälfte – und gibt uns die Chance, uns aus den alten Verstrickungen zu lösen und ein Leben in Freiheit zu führen. Wir sollten ihm oder ihr dafür dankbar sein.

Gut zu wissen!
Verstrickungen kann man lösen – zum Beispiel mit systemischen Aufstellungen:

im Emmental
– in München


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